Medizinnobelpreis 1998: Robert Francis Furchgott — Louis Ignarro — Ferid Murad

Medizinnobelpreis 1998: Robert Francis Furchgott — Louis Ignarro — Ferid Murad
Medizinnobelpreis 1998: Robert Francis Furchgott — Louis Ignarro — Ferid Murad
 
Die drei amerikanischen Wissenschaftler erhielten den Nobelpreis für »ihre Arbeiten über die Rolle von Stickoxid als Signalstoff im Herz-Kreislauf-System«.
 
 Biografien
 
Robert Francis Furchgott, * Charleston (South Carolina) 4. 6. 1916; ab 1956 Professor für Pharmakologie an der Staatlichen Universität New York, ab 1988 beigeordneter Professor für Pharmakologie der University of Miami School of Medicine; Arbeiten über die Wirkung von Arzneimitteln auf Blutgefäße und die Wirkungen von Stickoxiden.
 
Louis Ignarro, * New York 31. 5. 1941; ab 1979 Professor für Pharmakologie an der Tulane University School of Medicine in New Orleans, ab 1985 Professor für Pharmakologie an der School of Medicine der University of California (Los Angeles), Arbeiten über Stickoxid als Entspannungsfaktor der Gefäße.
 
Ferid Murad, * Whiting (Indiana) 14. 9. 1936; ab 1975 Professor für Innere Medizin und Pharmakologie an der University of Virginia (Charlottesville), ab 1981 an der Stanford University in Palo Alto (Kalifornien), ab 1988 beigeordneter Professor an der Northwestern University Medical School in Chicago (Illinois).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Der Nobelpreis für Medizin des Jahres 1998 dürfte am besten von allen Auszeichnungen die Idee Alfred Nobels getroffen haben. Denn Robert Furchgott, Louis Ignarro und Ferid Murad deckten auf, wie Nitroglycerin wirkt, wenn es bei Gefäßerkrankungen als Medikament verabreicht wird. Der Zufall will es so, dass Alfred Nobel genau mit diesem Nitroglycerin sein Geld verdient hatte, das er später der Nobelpreisstiftung zur Verfügung stellte. Allerdings diente die Chemikalie zu Nobels Zeiten vor allem zur Herstellung des Sprengstoffs Dynamit. Als ihm sein Arzt Nitroglycerin gegen eine Herzkrankheit verschrieb, lehnte Nobel dieses Medikament ab, weil es Kopfschmerzen verursacht. Damals notierte Alfred Nobel: »Es ist eine Ironie des Schicksals, dass mir mein Arzt Nitroglycerin verordnet.«
 
 Auf der Suche nach dem unbekannten Signalstoff
 
Wie Nitroglycerin Gefäßkrankheiten heilen kann, haben die Medizin-Laureaten von 1998 gezeigt. Allerdings wirkt nicht etwa das Nitroglycerin selbst, sondern ein Abbauprodukt. Die Geschichte seiner Entdeckung begann mit verblüffenden Beobachtungen des amerikanischen Pharmakologen Robert Furchgott. Bestimmte Wirkstoffe weiten in manchen Fällen die Blutgefäße, in anderen Fällen bewirken sie das Gegenteil. 1980 konnte der Forscher beweisen, dass zum Beispiel Acetylcholin Blutgefäße nur dann weitet, wenn die Wände der Adern intakt sind. Furchgott schloss daraus, dass in diesem Fall die Zellen der Gefäßwände ein Signal aussenden, das die glatten Muskelzellen der Gefäße veranlasst, sich zu entspannen. Dadurch weiten sich die Adern. Da Furchgott diesen Signalstoff aber nicht kannte, nannte er ihn EDRF (endothelium-derived relaxing factor = Faktor aus den Gefäßwänden, der die Gefäße entspannt).
 
 Gesucht und gefunden
 
Bereits drei Jahre vorher hatte der Pharmakologe Ferid Murad entdeckt, dass Nitroglycerin in den Adern das Gas Stickoxid freisetzt und dieses die Zellen der Gefäßwände zur Entspannung veranlasst. Ferid Murad war sehr überrascht, dass ein Gas wichtige Funktionen der Zelle steuern sollte. 1986 bewiesen dann Robert Furchgott und Louis Ignarro unabhängig voneinander, dass EDRF identisch mit dem Stickoxid ist, das Murad bereits als gefäßweitenden Wirkstoff identifiziert hatte.
 
Dieses Ergebnis aber war eine wissenschaftliche Sensation. Denn Stickoxide waren längst als Substanzen bekannt, die ganz andere Funktionen haben. Sie entstehen zum Beispiel aus Stickstoff in Verbrennungsmotoren und sorgen unter anderem für den gefürchteten Sommersmog. Ausgerechnet dieses Gas sollte wichtige Funktionen der Zelle steuern und damit ähnlich wie ein Hormon wirken? Vor allem Stickoxid schien ein denkbar ungeeigneter Kandidat für eine solche Funktion, da es sich bereits nach zehn Sekunden in Nitrat und Nitrit umwandelt.
 
Kein Wunder, wenn die Ergebnisse von Furchgott, Ignarro und Murad unter Fachkollegen auf erhebliche Skepsis stießen, die aber schnell in Begeisterung umschlug, als weitere Experimente immer deutlicher zeigten, dass Stickoxid nicht nur ein Schlüsselsignalstoff für Blutgefäße ist, sondern auch eine ganze Reihe weiterer Funktionen hat.
 
 Stickoxid, ein Stoff mit vielen Eigenschaften
 
Über die Erweiterung oder Verengung von Blutgefäßen reguliert Stickoxid zum Beispiel den Blutdruck. Obendrein wirkt das kleine Molekül als Pförtner, der den Blutstrom in verschiedene Organe steuert. Stickoxid ist gleichzeitig ein wichtiger Signalstoff im Nervensystem. Und es ist eine scharfe Waffe im Kampf gegen Infektionen.
 
Stickoxid ist in fast allen Organismen zu finden. Die verschiedensten Typen von Zellen stellen diese Substanz her. So produziert die innerste Zellschicht der Arterien Stickoxid. Von dort dringt es rasch durch die Zellmembran zu den darunter liegenden Muskelzellen, die sich normalerweise zusammenziehen und damit die Gefäße verengen. Genau diesen Vorgang schaltet das Stickoxid ab, die Muskeln entspannen sich und die Gefäße weiten sich aus. Dadurch kann das Blut leichter durch die Gefäße fließen: Der Blutdruck sinkt. Gleichzeitig verhindert die Ausweitung der Gefäße auch die Bildung von gefährlichen Blutgerinnseln, die Arterien verstopfen können und dadurch einen Schlaganfall oder Herzinfarkt verursachen.
 
Doch auch Nervenzellen produzieren Stickoxid, das sich rasch in alle Richtungen ausbreitet. Bei anderen Zellen in der Umgebung hat die Substanz verschiedene Wirkungen; sie löst zum Beispiel Kontraktionen im Magen-Darm-Trakt aus. Makrophagen genannte Bindegewebszellen produzieren ebenfalls Stickoxid in großen Mengen, um in den Körper eindringende Bakterien und andere Parasiten zu vergiften. Da die Makrophagen riesige Mengen an Stickoxiden freisetzen, können die Patienten durch den dadurch sehr stark gesenkten Blutdruck bewusstlos werden. Auf der Intensivstation können daher mit Mitteln, die eine Synthese von Stickoxiden verhindern, kritische Situationen für den Patienten vermieden werden.
 
Stickoxid eignet sich eventuell auch als Medikament gegen Krebs. Das Immunsystem jedenfalls setzt diese Substanz nicht nur zur Abwehr von Parasiten ein, sondern bekämpft damit auch Tumorzellen. Sogar Impotenz lässt sich mit Stickoxiden behandeln. Durch die Ausweitung der Gefäße, die zu den Schwellkörpern im Penis führen steigt die Blutzufuhr und eine Erektion wird möglich.
 
Bei so vielen nützlichen Eigenschaften, die Stickstoff besitzt, war die Würdigung dieser Entdeckung sicher im Sinn von Alfred Nobel.
 
R. Knauer, K. Viering

Universal-Lexikon. 2012.

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